Die Nacht verläuft ruhig und als ich die Augen aufschlage, scheint mir die Sonne entgegen. Igor steht vor meinem Zelt und frisst Heu. Als er mich sieht kommt er zu mir und begrüßt mich. Mit der aufgehenden Sonne sind leider auch schon wieder die ersten Insekten unterwegs. Erst die Kriebelmücken und die Fliegen, dann etwas später am Morgen kommen die Bremsen.
Ich hole mir einen Kaffee beim Bäcker gegenüber und setze mich in die frühe Morgensonne. Heute haben wir einen kurzen Spaziergang von 2 Stunden vor uns, denn wir machen einen Besuch im Bärenwald Arbesbach. Ich bin schon sehr gespannt wie Igor auf die Bären reagiert.
Wir wandern los und treffen unterwegs im Ort Altmelon noch eine nette Tiroler Familie die vor einigen Jahren hierhergezogen ist. Igor bekommt einen Apfel und lässt sich streicheln und fotografieren. Ich bin mir sicher, dass er die Energie von Menschen spürt und sich dementsprechend einmal nähert oder auch ausweicht wenn es sich nicht gut für ihn anfühlt.
Ich lasse Igor ausgiebig grasen, solange noch nicht so viele Bremsen unterwegs sind. Immer wieder legen wir lange Stopps ein damit er fressen kann. Ich esse die restlichen Pfirsiche die Gerda mir gestern mitgebracht hat.
Heute sind wir kaum unterwegs durch den Wald, sondern mehr zwischen Feldern und abgemähten Wiesen unterwegs. Es wurde in der letzten Regenpause offenbar schnell gemäht, das Gras ist auf manchen Wiesen so kurz das man die Erde sehen kann. Darauf wird stinkende Gülle ausgebracht. Wir sind heute schon einigen Traktoren ausgewichen die mit ihrem stark riechenden Inhalt unterwegs waren. Rinder sieht man so gut wie überhaupt nicht auf den Wiesen. Sie stehen in ihren Ställen. 6 Tage lang bin ich nun schon im Waldviertel unterwegs und habe heute zum ersten Mal bei zwei Bauern Rinder draußen auf der Wiese gesehen. Der Anblick der Tiere in den Ställen macht mich traurig und auch zornig. Wie wenig doch die Realität mit der in der Werbung gezeigten Scheinidylle zu tun hat. Ausnahme war auf meiner bisherigen Reise das Gölsen- und Traisental. Dort war es genau umgekehrt. Bei fast allen kleineren Höfen waren die Rinder im Freien und es gab nur wenige große Höfe bei denen sie im Stall waren.
Dann kommen wir im Bärenwald an und Igor wird von den Gästen des Restaurants und beim Imbiss bestaunt. Erst recht als uns das Tor aufgesperrt wird und wir auf das Gelände dürfen. Hermann, einer der Mitarbeiter holt uns ab und wir verstauen einmal unser Gepäck denn ich bin zum Mittagessen eingeladen. Es gibt Zwiebelsuppe und einen köstlichen Salat bestehend aus Gemüse, Reis, Kartoffeln und Bohnen. Wir essen in einem kleinen Innenhof und Igor darf selbstverständlich mitkommen. Der Hof grenzt an zwei Bärengehege und es dauert nicht lange bis sich Erich, einer der Bären nähert. Er kommt so nahe heran wie es der doppelt gesicherte Zaun zulässt und schaut interessiert. Igor beobachtet den Bären ebenso und richtet seine volle Aufmerksamkeit auf ihn. Er wirkt leicht angespannt aber keineswegs panisch. Ich denke es liegt auch daran das ich völlig entspannt bin und mich sehr wohl fühle. Es ist schön hier unter Menschen zu sein, die einen ähnlichen Zugang zu Tieren haben wie ich. Dann nähert sich vom anderen Gehege Brumca, eine schon ältere Bärendame und setzt sich hinter Igor ganz ruhig hin. Igor bemerkt sie erst nachdem sie ihn schon einige Minuten beobachtet hat. Dann aber, als er Brumca registriert dreht er sich am Stand um und macht einen kleinen Satz weg von dem Gehege. Ich bleibe stehen und beobachte Brumca. Auch Igor kommt wieder zu mir und wir schauen beide auf die Bärin. Dann geht's auf zu einem Rundgang durch den Bärenwald. Igor geht mit als würden wir einen ganz normalen Waldspaziergang machen. Viele Besucher fotografieren ihn und wundern sich was ein Esel im Bärenwald macht.
Wir dürfen auch den Ausbau der Anlage besichtigen die um drei weitere Gehege für Bären erweitert wird. Da wir dabei außerhalb des Besucherbereiches sind, lasse ich Igor vom Führstrick und er läuft mit uns mit. Nur als plötzlich Erich der Bär von ganz unten in seinem Revier zu uns heraufgaloppiert wird es Igor dann zu unheimlich und er bleibt auf Abstand.
Das war ein aufregender Tag mit Bärenbegegnung für Igor und auch für mich. Dieser Esel ist wirklich ein ganz besonders Tier und ich könnte mir keinen besseren Gefährten für meine Reise wünschen. Trotzdem habe ich heute Abend wieder einmal starkes Heimweh nach Andi, unserem Hof-Sonnenweide und den Tieren.
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