Wanderung Tag 22

Der Tag beginnt bedeckt und warm, ja regelrecht schwül. Ich habe wieder ausgezeichnet geschlafen. Mittlerweile schlafe ich im Zelt schon so gut wie zu Hause im Bett. Ich habe mich an die Form der Isomatte gewöhnt und weiß wie ich darauf am besten liegen kann. Ich bringe Igor frisches Heu und Wasser. Danach setze ich mich zu ihm und beginne Tagebuch zu schreiben. Um 6.30 Uhr fragt mich Christine ob ich einen Kaffee haben möchte. Da bin ich natürlich gleich dabei und gehe mit ihr in die Küche.

Igor kann jetzt wirklich schon gut für einige Zeit ohne mich bleiben und das erleichtert für mich Vieles. Ich habe auch das Gefühl, wenn ich mein Zelt aufstelle, dann weiß er das wir für den heutigen Tag angekommen sind und das ich immer nur kurz weg bin um beispielsweise zu duschen.

Während ich Igors und meine Sachen zusammenpacke, macht Christine die Boxen der Einstellpferde sauber. Es ist unglaublich wie sie den Reitbetrieb mehr oder weniger alleine managed. Die Großfamilie wohnt gemeinsam im Haus und ich habe das Gefühl, dass auch hier Christine die Managerin ist. Beim Verabschieden verspreche ich ihr mich zu melden und lade sie, wie auch alle meine anderen GastgeberInnen ein, uns auf Hof-Sonnenweide zu besuchen.

Die heutige Strecke, Richtung Bärnkopf, beginnt zäh. Es geht sehr lange entlang einer Straße, vorbei an kleinen Ortschaften und großen Milchwirtschaftsbetrieben, die mir das Herz schwer werden lassen. Igor zieht sich auch wie ein Strudelteig. Er mag schwüles Wetter nicht und bergauf über Asphalt mag er auch nicht. Außerdem dann noch am Führstrick,…

Unterwegs kommen wir an drei Frauen vorbei die lachend auf einer Terrasse sitzen. Sie kommen zu Igor und möchten gerne Fotos von ihm machen. Sie fragen woher ich komme und wohin die Reise geht. Dann bekomme ich noch ein Fläschchen mit Teebaum Öl geschenkt, das gegen Insekten wirken soll. Igor frisst in der Zwischenzeit Gras von der benachbarten Wiese.

So gestärkt und motiviert geht's dann die letzten paar hundert Meter bis endlich der Wald beginnt. Sofort lasse ich Igor vom Führstrick. Eine der drei Frauen hat mir erzählt, dass die geschotterte Waldstraße offiziell von allen befahren werden darf und das auch genutzt wird. Aber offenbar habe ich Glück, denn ich begegne keinem Auto und auch keinen anderen Menschen.

Der Weg ist perfekt für Igor und mich. Zunächst geht es bergauf an hohen Bäumen und großen Steinen vorbei. Rechts von uns fließt ein Bach und außer Vogelgezwitscher und Insektengebrumm ist nichts zu hören.

Igor stapft gemütlich hinter mir her und wirkt mit sich und der Welt in Einklang. Ich habe vor meiner Abreise gesagt, dass ich die Wanderung alleine machen würde, falls ich bemerke dass es Igor nicht gut geht. Schon nach wenigen Tagen Wanderschaft habe ich diesen Gedanken jedoch verworfen. Dass Igor mich begleitet, ist der zentrale Punkt meiner Reise. Entweder mit ihm oder gar nicht. Deshalb freue ich mich, dass es ihm so gut geht. Auch die Bremsen halten sich heute in Grenzen bzw. wirkt offenbar die insektenvertreibende Medaille auf Igors Halfter. Nach einer Weile wird der Weg flacher und es wirkt sumpfig rechts und links vom Weg. Unzählige Blumen blühen und es sieht wunderschön aus. Im letzten Drittel der Strecke geht der Weg an drei Waldseen vorbei. Am ersten treffen wir zwei Motorradfahrer aus Wien die einen Ausflug ins Waldviertel machen. Sie wollen Fotos von Igor machen und ich erlaube es. Die Entscheidung ob er gestreichelt oder berührt werden möchte, überlasse ich immer Igor. Er zeigt es sehr deutlich und so auch jetzt. Er weicht jedes Mal aus, wenn die Männer ihm zu nahekommen. Ich bin innerlich ein bisschen schadenfroh denn mich stören Motorradfahrer im Wald einfach, auch wenn es erlaubt ist. Das passt einfach nicht zusammen.

Igor und ich gehen weiter und kommen in Bärnkopf bei unserem Gastgeber an. Ich rufe ihn an und sage dass wir angekommen sind. Da Otto gerade weggefahren ist, kann ich Igor einfach auf die große Wiesenkoppel stellen. Ich hole Wasser für ihn und baue mein Zelt unterhalb von Igors Wiese auf dem wenig benutzten Sandviereck auf.

Es ist warm und ich setze mich unter einen Baum. So ein schöner Tag, denke ich mir. Eine Stunde später sehe ich, wie sich Gewitterwolken am Himmel sammeln. Rasch verstaue ich alles nochmals wasserdicht und gehe ins Zelt wo ich auf den Wolkenbruch warte. Aber das Gewitter streift uns nur mit ein paar kleinen Regenschauern. Erleichtert atme ich auf und komme wieder aus dem Zelt um die Sonne zu genießen.

Ich mache mir auf meinem Kocher ein Abendessen. Diesmal Hirseflocken mit grünem und rotem Paprika. Dann tüftle ich noch an den Routen der nächsten Tage und schaue nach Übernachtungsmöglichkeiten. Da es eine schöne aber auch anstrengende Wanderung war, schlafe ich bald ein. Geweckt werde ich um Mitternacht, als starker Regen auf das Zelt prasselt. “Nicht schon wieder”, denke ich mir und bin ein bisschen verzweifelt. Noch dazu steht mein Zelt auf einem Sandplatz der sich zunehmend in Gatsch verwandelt. Herrlich ist das und der Regen hört und hört nicht auf. Igor hat leider auch keinen Unterstand aber da unsere Pferde und Eselherde auch zu Hause im ärgsten Regen im Freien steht, obwohl sie einen Unterstand haben, mache ich mir ausnahmsweise mehr Sorgen um mich, als um Igor. An Schlaf ist nicht wirklich zu denken. Ich versuche in meinem Buch zu lesen, kann mich aber nicht konzentrieren. Ich liege da und hoffe einfach dass der Regen irgendwann aufhört und die Heringe im nassen Sand halten und mein Zelt innen trocken bleibt.

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