Ich kann gar nicht glauben, dass ich schon drei Wochen unterwegs bin. Jeder einzelne Tag fühlt sich unendlich lange an, weil, ich so viel erlebe und durch so viele verschiedene Gefühle gehe. Im Rückblick erscheint es mir aber wie ein kurzer Augenblick.
Ich wache auf und sehe Igor der seinen Hintern Richtung aufgehende Sonne gedreht hat. Ja tatsächlich, die Sonne scheint. Mein Zelt ist wie immer vom Kondenswasser sehr feucht, aber mittlerweile schaffe ich es ganz gut, dass ich ohne die Wände zu berühren herauskrabble. Das ist der Nachteil des einwandigen Ultraleicht-Zeltes. Es bildet sich viel Kondenswasser im Inneren. Der unschlagbare Vorteil ist jedoch das geringe Gewicht bei einer komfortablen Größe für ein 1-Frau-Zelt.
Dann bekomme ich auch schon frischen Kaffee von Uschi gebracht, die ihre beiden Pferde füttert. Sie hat mir eine kleine Thermoskanne mitgenommen und wir plaudern noch ein bisschen während ich meinen Kaffee genieße und sehr dankbar darüber bin.
Bevor Igor und ich aufbrechen, muss mein Zelt noch etwas abtrocknen. Ich schreibe in der Zwischenzeit Tagebuch, telefoniere mit Andi und beobachte meine Umgebung. Leider hat der Sonnenschein auch die ersten Pferdebremsen mitgebracht. Meine naive Annahme, dass es die im Waldviertel nicht gibt, hat sich natürlich nicht bestätigt.
Unser heutiger Weg führt uns zunächst über eine scheinbar unbefahrene Straße Richtung Münichreith. Wir begegnen einigen Bauern aber keinem einzigen Auto. Die Sonne strahlt, die Landschaft ist schön, und mittendrin Igor, der sowieso wunderschönste Esel der Welt. Und ich habe zum ersten Mal seit drei Wochen eine kurze Hose an. Juhuuu, so kann es bleiben.
Münichreith wirkt sehr ausgestorben. Nur ein Zwergspitz kläfft uns laut hinterher. Wir gehen weiter und sehen vor einem kleinen Lebensmittelgeschäft ein paar PensionistInnen stehen. Plötzlich wird Igor unrund und geht schneller. Der kleine Zwergspitz verfolgt uns mitten auf der Straße. Die PensionistInnen sehen stumm zu. Igor beruhigt sich wieder sobald der Hund verschwunden ist. Hunde reagieren generell sehr nervös auf Igor, auch solche die schon jahrelang mit Pferden zusammenleben. Ein Esel ist doch wieder etwas Anderes für sie.
Dann geht es in den Wald über den Kaiserstein Richtung Yspern. Dort gibt's wieder eine Übernachtungsmöglichkeit für mich. Ich mache es jetzt meist so, dass ich meine jeweiligen Gastgeber nach der besten Route und Möglichkeiten zum Übernachten frage. Das funktioniert super gut und mir geht es besser damit, wenn ich weiß das ich am Abend für mich und meinen Esel ein gutes Plätzchen habe. Vor allem Igor steht an erster Stelle. Mir ist wichtig, dass er mit Wasser und auch mit Heu gut versorgt ist.
Der Wald ist wunderschön und schillert in verschiedenen Grüntönen. Sehr sanft geht es bergauf. Auf meiner Wanderapp habe ich gesehen, dass es nach dem Gipfel aber sehr steil bergab Richtung Ysper geht. Ich hoffe sehr, dass ich mich da offenbar geirrt habe.
Leider ist es im Wald vorbei mit den einzelnen Bremsen. Eine ganze Horde umschwirrt Igor und immer wieder setzen sich die dicken Pferdebremsen auf seinen Rücken. Sein Schweißgeruch lockt die Insekten an. Zum Glück bleibt Igor sehr ruhig, aber ich bin besorgt. Mir den stechenden Insekten habe ich kein entspanntes Verhältnis. Ich habe mir vor unserer Abreise im Pferdefacheschäft etwas Neues gekauft. Ein Bremsenmedaillon aus Gummi, das man über den Riemen des Halfter schiebt und das nach Berührung mit der Haut einen Duftstoff absondert der Insekten vertreibt. Jetzt ist es soweit und ich packe das Medaillon aus, das stark aber nicht unangenehm riecht. Ich schiebe es auf Igors Halfter und beobachte die Wirkung. Tatsächlich scheint es so als würden ihn die Bremsen zwar umkreisen, aber sich nicht auf ihm niederlassen.
Dann sind wir auch schon oben angekommen und es geht wirklich steil bergab. Mit steil bergauf habe ich kein Problem, aber steil bergab ist immer ein bisschen blöd wegen dem Packsattel. Wenn es zu steil wird, rutscht er nach vorne. Vor allem aber wenn Igor in Trab oder Galopp fällt, wie vor einigen Tagen. Deshalb nehme ich ihn vorsorglich an den Führstrick damit er langsam geht. Das funktioniert wunderbar, Igor lässt sich brav führen, drängelt nicht und bleibt hinter mir. Irgendwann ist auch die steilste Strecke zu Ende und wir kommen aus dem Wald heraus nach Altenmarkt. Von dort aus wird es dann wieder gemütlich und wir wandern die letzten Kilometer über den Radweg und Wohnstraßen bis zum Stall wo die Besitzerin und ihre Enkelin Larissa auf uns warten. Eigentlich hätte sie für Igor eine Box hergerichtet aber ich entdecke ein kleines Platzerl neben dem Sandviereck mit ein bisschen Gras, einer Sitzbank und einer wunderschönen Weide. Ich frage ob ich dortbleiben darf und es passt.
Larissa ist ganz fasziniert von Igor und hilft mir bei der Versorgung. Wir bringen ihm Heu und Wasser und Larissa holt Karotten die er gerne verspeist. Dann tüftelt wir an der Strecke für morgen. Es soll nach Bärnkopf gehen, aber nicht durch die Ysperklamm sondern einen gemütlichen Reitweg. Es ist gar nicht so einfach einen von mindestens 10 möglichen Wegen zu beschreiben und so setzt sich Christine, die Stallbesitzerin mit mir ins Auto und zeigt mir die Strecke bis zu Wald. Ich lasse Igor mit einem mulmigen Gefühl für die paar Minuten alleine, drücke einem der Einsteller noch meine Telefonnummer in die Hand doch es klappt wunderbar. Igor hat umgeben von anderen Pferden offenbar kein Problem, dass ich kurz weg bin. Christine bietet mir auch an bei ihr im Haus zu duschen und mir etwas zu Essen zu machen. Wieder bin ich überwältigt von so viel Fürsorglichkeit, die mir entgegengebracht wird.
Dann höre ich wie jemand meinen Namen ruft. Es ist Gerda, von der Kamelfarm, die mich bzw. Igor besuchen kommt. Ich freue mich sehr. Wir setzen uns unter die Weide und Igor lässt sich den Kopf von Gerda kraulen. Als sie sich am Abend verabschiedet, steckt mir Gerda Geld in die Tasche. Als ich später nachsehe, sind es € 80,- die sie mir zugesteckt hat. Auch diese Geste hat etwas so Liebevolles und Fürsorgliches, dass ich sie gerne annehme und den Gedanken, womit ich das verdient habe, nicht aufkommen lasse.
Dieses Auf und Ab der Gefühle jeden Tag ist schon faszinierend. Als die Bremseninvasion kam wünschte ich mir zu Hause zu sein. Gleich darauf ist das aber wieder vergessen angesichts der vielen schönen Eindrücke. Und schön langsam lerne ich gleichmütiger mit den negativen Erlebnissen umzugehen, weil ich weiß das es nur Momentaufnahmen sind.
Zufrieden und zuversichtlich verziehe ich mich in mein Zelt. Morgen wird das Wetter angebliche auch noch schön.PS:
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