Wanderung Tag 14

In der Nacht hat es nur leicht geregnet, mein Zelt ist trocken geblieben und der Himmel sieht blau aus. Trotzdem fühle ich mich wie gerädert, weil ich schlecht geschlafen habe. Mein Zelt stand leicht schräg und somit rutschte die Isomatte der Breite nach Richtung Zelteingang. Erst als ich mein Handtuch als rutschfeste Schicht darunterlegte, wurde es besser. Igor geht es gut. Die Rinder rund um ihn haben ihn in seiner Ruhe nicht gestört. Dann wird es Zeit für den Aufbruch. Ich habe mir die Strecke Wilhelmsburg-Klangen vorgenommen. Erst am Radweg und dann durch Wilhelmsburg über mehrere kleine Orte zu meiner heutigen Gastgeberin Nicole von den „Hofkindern“. Ich habe sie durch Zufall auf Google gefunden als ich meine Route für den nächsten Tag plante und spontan angerufen. Nicole war total nett und sagte sofort zu. Aber erst einmal müssen wir hinkommen. Da Igors Hufschuhe noch komplett nass sind beschließe ich sie heute wegzulassen. Meine Schuhe sind ebenfalls noch nass aber das lässt sich nicht ändern. Leider melden sich meine Druckstellen an den Füßen wieder sobald ich ein paar Schritte in den nassen Schuhen gehe. Dann brechen wir auf. Um zum Radweg nach Wilhelmsburg zu gelangen müssen wir etwa 10 Meter die vielbefahrene B 20 entlang und können dann aber gleich über eine kleine Holzbrücke auf einen Wiesenweg gehen. Igor hat kein Problem mit vielbefahrenen Straßen, aber er mag Kanaldeckel und ähnliches nicht die im Straßenbelag eingelassen sind. Manchmal sind sie ihm egal und er geht drüber, aber manchmal weicht er aus.

Wir gehen rasch die paar Meter bis zur Brücke, dann queren wir ohne Probleme und sind schon am Feldweg Richtung Radweg. Auf einer Brücke die den Fluss Gölsen überquert, kommt uns ein Polizeiauto entgegen. Ich grüße freundlich, da geht das Fenster runter und in Polizeiton fragt die Beamtin: „Wo gehen Sie hin?“ „Nach Wilhelmsburg“, antworte ich ihr. „Aber schon auf dem Radweg, es gab nämlich einen Anruf wegen ihres Begleiters auf der B20. Aber wir haben uns eh schon gedacht das sie nur zur Brücke wollten und gequert haben.“ Na dann ist ja alles gut, denke ich, verabschiede mich und gehe weiter. Am Radweg ist heute sehr viel los wegen des schönen Wetters. Igor wird sehr oft fotografiert und ich kann ihn heute kaum frei laufen lassen. Ich sehe nämlich auch einige verkniffene Gesichter, wenn Radfahrer mir und meinem Esel auseichen müssen. Vor allem die Rennradfahrer kennen da keinen Spaß. Meine App möchte mich durch Wilhelmsburg durchleiten, aber ich wähle eine Stecke rundherum die auch durch das Industriegebiet führt. Das ist zwar optisch nicht schön aber dafür ruhig mit wenig Verkehr. Dann müssen wir noch einmal über eine Hauptstraße und schon sind wir wieder Richtung Klagen unterwegs. Vorschriftsmäßig möchte ich die Hauptstraße über einen Zebrastreifen überqueren. Dabei vergesse ich für einen Moment, dass Igor manchmal nicht auf Bodenmarkierungen, speziell die weißen, treten mag. Normalerweise ist das kein Problem, weil wir dann einfach knapp neben dem Zebrastreifen die Straße überqueren. Diesmal ist die Grünphase aber so kurz und die Autos stehen so knapp beim Zebrastreifen, dass wir nicht ausweichen können. Ich bin es gewohnt, dass Autofahrer lächeln wenn sie Igor sehen wenn er sich ein bisschen eselig benimmt und einfach mal stehen bleibt. Bisher haben dann immer alle Rücksicht genommen und die paar Sekunden gewartet, bis Igor wieder bereit ist weiter zu gehen. Nicht diesmal. Ein LKW Fahrer fährt knapp neben uns vorbei und hupt lautstark direkt neben uns.

Ich bleibe ruhig und führe Igor einfach wieder zurück auf den Gehweg und dann überqueren wir die Straße 5 Meter weiter vorne, wo kein Zebrastreifen ist, ich aber die Ampel gut erkennen kann. Igor geht gelassen drüber und schon sind wir auf der anderen Seite. Jetzt nur noch 10 km nach Klagen. Aber die ziehen sich vor allem weil es meinen Füßen gar nicht gut geht. Beiden Ballen stechen und brennen und ich kann gar nichts dagegen tun. Igor ist fit und munter und nimmt dankbar auch das Wasser an das uns ein Mann bringt an dessen Haus wir vorbei gehen. Dafür posiert er auch wieder für ein Foto.

Am Ziel angekommen, nehme ich Igor zuerst die Packtaschen ab und ziehe dann die Schuhe aus. Das sieht übel aus. An beiden Füßen wieder Blasen. Ich rufe Andi an damit er weiß, dass wir sicher angekommen sind und schildere ihm mein Fußproblem. Spontan bietet mein bester Mann an, mir andere Schuhe zu bringen. Ich bin schon fast 2 Stunden Autofahrt von Zuhause entfernt, es ist also kein Katzensprung. Ich stimme trotzdem zu und freue mich auch schon darauf ihn zu sehen. Er und unser Hof gehen mir schon sehr sehr ab und ich habe oft Heimweh. In der Zwischenzeit ist auch Nicole, meine Gastgeberin, eingetroffen und zeigt mir alles. Sie ist genau so sympathisch wie sie am Telefon klingt. So wie ich früher bietet sie Kindergeburtstage mit Tieren an und Workshops für Schulklassen.

Dann kommt Andi mit den Schuhen, meiner Wahlkarte für die Europawahl und einem Sackerl voller Blasenpflaster. Es ist so schön von ihm gedrückt zum werden und ich muss ein bisschen weinen. Er kann nur kurz bleiben, weil er zurück zum Hof muss um die Tiere zu versorgen. Beim Abschied möchte ich am liebsten Igor auf die Laderampe setzen und mitfahren. Aber natürlich bleibe ich, wenn auch mit Wehmut im Herzen.

Am Abend kommen noch Nachbarn vorbei um sich Igor anzusehen. Sie laden mich zum Abendessen und auf eine heiße Dusche ein. Ich würde sehr gerne annehmen, kann aber nicht, weil das Haus wenn auch nur 100 Meter, zu weit von Igor entfernt ist. Ich möchte ihn auf keinen Fall alleine lassen. Und so verkrieche ich mich früh ins Zelt und bin innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen, denn heute steht es gerade und Igor mümmelt davor an seinem Heu.

 

 

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