Wanderung Tag 6

In der Früh ist es trüb, aber es regnet wenigstens nicht. Ich bekomme eine gute Tasse Kaffee und Igor Heu. Er läuft mir auf Schritt und Tritt nach wie ein Hund, und frisst nur wenn ich in seiner Nähe bin. So nehme ich mir einen Sessel und bleibe bei ihm sitzen. Am meisten gefällt es ihm, wenn die ganze Familie meiner Gastgeber dazu kommt. In der Gruppe schmeckt es am besten. Dann ist es Zeit für den Aufbruch. Ich packe unsere Sachen zusammen und bin wie immer ein bisschen nervös bevor ich Igor aufsattle. Ich bitte meine Gastgeberin um Haferflocken für Igor damit er ruhig steht, wenn ich ihm die Hufschuhe anziehe. Wir bekommen gleich zwei Packungen geschenkt. Bio, natürlich und ich verspreche dass alles Igor bekommt. Dann ziehen wir los Richtung Muggendorf. Nur zwei Stunden dauert der Weg dorthin, deshalb können wir uns viel Zeit lassen. Kurze Zeit später beginnt es zu regnen. Regenjacke raus, Rucksack mit wasserdichtem Sack abdecken, wie oft hab ich das jetzt schon gemacht. Ich lasse Igor an jeder Wiese fressen und schlendere mit ihm nach Neusiedl und dann nach Pernitz. In Neusiedl gehe ich an einem Wirtshaus vorbei, wo mich die dort sitzende Männerrunde bereits erkennt. „Du bist die, die gestern schon hätte kommen sollen“ rufen sie mir nach. Ich bestätige das und winke. In Pernitz bleibt eine Frau im Auto neben mir auf der Kreuzung stehen und fragt ob ich etwas brauche. Ich finde das total nett und hätte gerne ein paar Karotten für Igor gehabt, aber wir stehen direkt an der vielbefahrenen Hauptstraße und ich weiß nicht wohin sie mir die Karotten bringen könnte. Deshalb lehne ich dankend ab und freu mich trotzdem über so viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft die mir entgegengebracht wird. Etwas bedrückt fühle ich mich heute. Das trübe Wetter, Heimweh nach Andi und den anderen Tieren, vor allem nach den Hunden. Und die Berge rings um mich wirken im Nebel fast ein bisschen bedrohlich. So eine Reise ist definitiv kein Urlaub, aber darauf habe ich mich vorbereitet. So stapfen wir weiter. Von Pernitz nach Muggendorf führt ein schöner Waldweg den Bach entlang, der in breiten Holzstufen endet. Da bin ich mal gespannt was Igor dazu sagt. Igor sagt gar nichts, sondern geht einfach hinunter. Wahrscheinlich ist es für ihn auch nicht anders als im Wald bergab über Wurzeln zu gehen. Angekommen in Muggendorf rufe ich die Bürgermeisterin an und sie sagt mir das ich von Franz, meinem heutigen Gastgeber abgeholt werde. Und bald darauf bremst neben mir ein Jägerauto. Franz, perfekt in Jägeroutfit gekleidet inkl. Stutzen und Jackett begrüßt mich freundlich und bietet mir als Übernachtungsplatz sein 14 ha großes, eingezäuntes  Gelände zum Übernachten an. Da stehen auch14 Stück Rotwild und ein Stadel in dem ich übernachten könne. Er würde mich aber auch sehr gerne bei sich zu Hause aufnehmen. Als ich ihm aber sage, dass ich bei Igor bleibe versteht er das. Während Igor und ich dem vorausfahrenden Auto folgen überlege ich ob es ein Jagdgatter ist. Also ein Eingezäunter Bereich in dem auch gejagt wird. Als wir ankommen verschlägt es mir die Sprache. Das sieht aus wie im Märchen. Eine steile Wiese, auf dem Rotwild zu uns und vor allem zu Igor heruntersieht. Links und rechts davon Wald und in der Mitte ein kleines Bächlein das vor dem Heustadel eine kleine Quelle bildet. Rechts und links vom Stadel ist an der Wand eine Raufe angebracht mit Heu von dem sich Igor sofort nimmt. Er schaut neugierig zu den Rehen hinauf aber keineswegs ängstlich. Ich beschließe heute im Stadel zu schlafen und das Zelt nicht aufzubauen. Die Wiese ist zu steil und die ebenen Flächen zu gatschig. Den ganzen Nachmittag regnet es leicht und ich sitze nur da und sehe mir das schöne Bild an. Franz ist zur Enzianhütte aufs Kieneck gefahren um meinen morgigen Übernachtungsplatz dort zu checken. Igor fühlt sich hier sichtlich wohl. Er läuft um die Hütte, holt sich mal von der rechten, dann von der linken Seite Heu und dann wieder Gras neben der Quelle. Am Abend wird’s aber dann ungemütlich. Ein Gewitter entlädt sich mit aller Macht vor allem mit sturzbachartigem Regen. Aus dem Bächlein wird bald ein ansehnlicher Bach der genau vor meiner Hütte mündet. Jetzt weiß ich warum sie erhöht gebaut wurde. Die zunehmende Dunkelheit, der starke Regen, Donner und Blitz schlagen mir arg auf den Magen. Ich bekomme richtig Angst und bin froh heute nicht im Zelt zu sein. Das hätte diesen Wassermassen nicht standgehalten. Igor hat sich etwas ungeschickt unter das Dach des Stadels gestellt. Er nimmt einen ganz bestimmten Modus ein, wenn es so stark regnet. Er verschränkt die Hinterbeine, hebt den Kopf und starrt ins Leere, bis alles vorbei ist. Um ihn mache ich mir ausnahmsweise keine Sorgen. Er steht auch bei uns mit der Herde im Regen obwohl sie einen Unterstand haben. Ich rufe Andi an der das Geschehen am Wetterradar verfolgt und mir Mut zuspricht. Aber meine Stimmung hellt sich nicht auf. Ich mache mir Sorgen wie das sein wird, wenn mich so ein Gewitter überrascht während wir unterwegs sind oder wenn ich im Zelt bin. Ich beschließe den Tag zu beenden, verkrieche mich in meinem Schlafsack und blende die Welt aus. Ich weiß, dass morgen die Welt wieder ganz anders aussieht… Und so war es dann auch.

 

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